Worum geht’s?
Naringenin ist ein natürlicher Pflanzenstoff (ein Flavanon), der vor allem in Zitrusfrüchten wie Grapefruit, Orange und Pomelo steckt – meist als Vorstufe „Naringin“, die durch Darmbakterien in das aktive Naringenin umgewandelt wird. Neben antioxidativen und entzündungshemmenden Effekten hat Naringenin auch antimikrobielle Eigenschaften. Die vorliegende Übersichtsarbeit bündelt, was man über seine Wirkung gegen antibiotikaresistente Bakterien (z. B. MRSA) und Pilze weiß – inklusive mechanistischer Erklärungen und Daten zu chemischen Derivaten (modifizierte Naringenin-Moleküle), die oft deutlich stärker wirken.
Wie wirkt es?
Direkt gegen Keime: Naringenin kann Bakterienmembranen stören, die Anheftung und Biofilme schwächen und sogar bakterielle Gifte (z. B. α-Toxin von Staphylococcus aureus) reduzieren.
Kommunikation stören: Es hemmt „Quorum Sensing“ – das bakterielle „Gruppen-Funk“system, das Virulenz und Biofilm steuert.
Resistenz umgehen: Es blockiert u. a. Effluxpumpen (die sonst Antibiotika aus der Zelle schleusen) und greift in die Fettsäuresynthese ein.
Was ist besonders?
Gegen Gram-positive Keime (z. B. S. aureus/MRSA) ist die Aktivität meist stärker als gegen Gram-negative. Chemisch veränderte Naringenin-Derivate erreichen für MRSA niedrige MIC-Werte (4–64 µg/mL) und zeigen Synergien mit Antibiotika (z. B. Gentamicin, Erythromycin, teils Oxacillin).
Gegen Gram-negative (z. B. E. coli, P. aeruginosa, H. pylori) ist die Wirkung variabler; Tabelle 1 (S. 12–13) zeigt Spannweiten von sehr niedrigen bis hohen MICs.
Antimykotisch: Gegen Candida und Schimmelpilze besteht moderate Aktivität; einige Derivate sind deutlich potenter.
Wichtig zu wissen:
Die Evidenz stammt überwiegend aus Labor- und Tierdaten; es gibt keine registrierten humanen klinischen Studien zur Antiinfektiv-Anwendung.
Sicherheit/Bioverfügbarkeit: Oral werden nur ca. 15 % absorbiert; Single-Ascending-Dose-Daten zeigen bis 900 mg als sicher. Wechselwirkungen (z. B. über Leberenzyme) bei Kombination mit Antibiotika sind zu bedenken.
Kurzfazit: Vielversprechend als Ergänzung zur Antibiotikatherapie (v. a. in Kombinationen).
Hintergrund
Die Zunahme multiresistenter Erreger (MRSA, VRE, ESBL/KPC/NDM-bildende Gram-negative) und der Mangel an neuen Wirkstoffen schaffen Bedarf für adjuvante Strategien. Naringenin (5,7,4′-Trihydroxyflavanon) ist ein verbreitetes Citrus-Flavanon (in vivo meist aus dem Glycosid Naringin mikrobiell dekonjugiert) mit dokumentierten antioxidativen, antiinflammatorischen und antimikrobiellen Effekten.
Diese Review konsolidiert Daten zur antibakteriellen und antifungalen Aktivität von Naringenin und Derivaten sowie zu Wirkmechanismen und Kombinationspotenzial mit Antibiotika.
Chemie, Vorkommen, Pharmakokinetik und Sicherheit
Naringenin/Naringin sind in Grapefruit, Orangen, Pomelo u. a. nachweisbar; Konzentrationen variieren je nach Sorte, Fruchtteil und Verarbeitung (z. B. hohe Naringin-Gehalte in Membranen/Albedo; gepresste vs. manuell gepresste Säfte unterscheiden sich deutlich). Orale Bioverfügbarkeit ist limitiert (~15 % Absorption). Klinische Sicherheitsdaten zeigen in Single-Ascending-Dose-Studien gute Verträglichkeit bis 900 mg.
Antimykotische Aktivität
Gegen Hefen und Schimmelpilze (u. a. Candida albicans, Aspergillus niger) zeigt Naringenin moderate Effekte, während bestimmte C-3-substituierte oder O-Alkyl/Oxime-Derivate die Potenz signifikant steigern (z. B. MIC 16–24 µg/mL). Kombinationen mit Fluconazol zeigten Synergien gegen Fluconazol-resistente C. albicans.
Wirkmechanismen (Zusammenfassung)
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Membrandestabilisierung und Permeabilitätssteigerung (Gram+ ausgeprägter).
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QS-Inhibition (LasI/R & RhlI/R in P. aeruginosa), Biofilm-Gene (icaAD, gtfB/C, luxS u. a.) ↓.
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Fettsäure-/Zellhüllensynthese: Hemmung von 3-Hydroxyacyl-ACP-Dehydratase (H. pylori) und 3-Ketoacyl-ACP-Synthase (Enterococcus).
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Effluxpumpen-Hemmung (z. B. CmeABC in Campylobacter).
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Toxin-Reduktion (S. aureus α-Toxin).
Diese von klassischen Antibiotika abweichenden Targets erklären beobachtete Synergien mit zahlreichen Klassen (β-Laktame, Aminoglykoside, Fluorchinolone, Makrolide u. a.).
Limitationen und Ausblick
Die Evidenz basiert überwiegend auf in vitro-/Tierdaten; kontrollierte Humanstudien zur Antiinfektiv-Wirksamkeit fehlen. Pharmakokinetik (Resorption/Metabolismus), Standardisierung aktiver Derivate/Extrakte, Dosis-Finde-Studienund Interaktions-/Sicherheitsprüfungen (u. a. potenzieller Einfluss auf Arzneistoff-Metabolismus) sind Voraussetzung für Translation. Trotz dieser Hürden sprechen breite Mechanismen und Kombinationspotenziale dafür, Naringenin-Derivate als adjuvante Antiinfektiva weiterzuentwickeln – besonders gegen Biofilm-assoziierte und resistente Pathogene.